Was ist ein Biozid?
Biozidprodukte unterliegen der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozidverordnung). Diese definiert in Artikel 3 Absatz 1 a) Biozidprodukte als:
"jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen“
und
"jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch, der/das aus Stoffen oder Gemischen erzeugt wird, die selbst nicht unter den ersten Gedankenstrich fallen und der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen."
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Diese Definition ist sehr weitreichend. Als Biozidprodukt gelten demnach neben Produkten wie Insektiziden oder Rodentiziden auch solche Produkte, die Schädigungen durch Schadorganismen verhindern sollen. Somit können auch Lockmittel und Repellentien (Vergrämungsmittel) Biozidprodukte sein. Als Hersteller beispielsweise von Anti-Mücken-Kerzen oder von Pheromonen kann Ihr Produkt bei entsprechender Auslobung und Anwendung dem Biozidrecht unterliegen. Insgesamt sind 22 verschiedene Produktarten identifiziert und im Anhang V der Biozidverordnung zusammengestellt. Stellen Sie ein Biozidprodukt her oder importieren Sie eines, müssen Sie das Produkt einer dieser Produktarten zuordnen können.
„in situ“ (das heißt: vor Ort) erzeugte Biozidprodukte ohne in Verkehr gebrachte Vorläufersubstanzen fallen ebenfalls unter die Definition eines Biozidproduktes.
Sachverhalt | Rechtliche Situation |
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Sie stellen einen Sanitärreiniger für den privaten Anwender her. Neben Tensiden und Duftstoffen enthält dieser auch einen Stoff, der über eine desinfizierende Wirkung verfügt. Entsprechend ist der Reiniger auch als "antimikrobiell" ausgelobt. | Bei diesem Sanitärreiniger handelt es sich auf Grund der desinfizierenden Wirkung um ein Biozidprodukt der Produktart 2. |
Sie stellen Wandfarben für den privaten Anwender her. Neben den Farbstoffen und Lösungsmitteln enthalten diese auch geringe Mengen eines Wirkstoffs (Topfkonservierer), der die Farbstoffe während der Lagerung vor einer Zersetzung durch Mikroorganismen schützt. | Bei diesem Produkt handelt es sich nicht um ein Biozidprodukt, da der vorhandene Wirkstoff lediglich das Produkt selbst schützen, jedoch keine biozide Wirkung nach Auftragen der Wandfarbe entfalten soll. Allerdings muss der Hersteller bzw. Importeur des Topfkonservierers, über eine entsprechende Zulassung als Biozid verfügen, bevor es der Wandfarbe bei der Herstellung zugesetzt wird. Die Wandfarbe selbst ist als behandelte Ware anzusehen. |
Sie stellen eine Holzschutz-Lasur her, die neben Ölen und Farbstoffen auch einen Wirkstoff enthält, der sowohl die Lasur während der Lagerung vor einer Zersetzung als auch nach Auftrag das Holz vor Bläuepilzen schützt. | Bei diesem Produkt handelt es sich um ein Holzschutzmittel, also um ein Biozidprodukt der Produktart 8, da das Holz auch vor Bläuepilzen geschützt wird. |
Sie stellen Kerzen her, die mit einem Duftstoff versehen sind. Dieser Duftstoff soll dazu führen, dass Mücken abgewehrt werden. Die Kerzen werden entsprechend als "Anti-Mücken-Kerzen" angeboten. | Bei diesen Kerzen handelt es sich aufgrund der repellierenden (abschreckenden) Wirkung gegen Mücken um ein Biozidprodukt der Produktart 19. |
Sie stellen Klebefallen gegen Fliegen her, die entsprechende Klebstoffe, allerdings keine Lockstoffe für die Fliegen enthalten. | Bei diesen Klebefallen handelt es sich nicht um ein Biozidprodukt, da die Klebefallen nicht auf chemischer oder biologischer sondern lediglich auf physikalischer Wirkung beruhen. Klebefallen mit einem Lockstoff würden unter das Biozidrecht fallen. |
Abgrenzung zu anderen Rechtsbereichen
Der Artikel 2 der Biozidverordnung nimmt Produkte, die bereits unter andere dort benannte rechtliche Regelungen fallen, von der Biozidverordnung aus. Ein Arzneimittel muss beispielsweise gemäß dem Arzneimittelgesetz zugelassen werden, ein Pflanzenschutzmittel gemäß dem Pflanzenschutzmittelgesetz. Um eine Doppelregelung zu vermeiden, gilt die Biozidverordnung daher nicht für die folgenden Produkte:
- Arzneimittel - Zuständige Behörde ist das Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
- Tierarzneimittel - Zuständige Behörde ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).
- Medizinprodukte - Zuständige Behörde ist das Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
- Kosmetische Mittel - Zuständige Behörde ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).
- Pflanzenschutzmittel - Zuständige Behörde ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).
Die Einordnung eines Produktes in einen dieser Bereiche kann oft schwierig sein. Entscheidend hierfür kann seine Funktion (oder das, was ein Betrachter als solche wahrnimmt) sein. So ist es durchaus möglich, dass ein chemisch identischer Stoff in einem Fall unter die Biozidverordnung fallen kann (wenn das entsprechende Produkt beispielsweise als Desinfektionsmittel angeboten wird), in einem anderen Fall nicht (wenn der Stoff dem Produkt beispielsweise in der Funktion eines pH-Regulierers zugesetzt worden ist). Eine wichtige Rolle bei dieser Unterscheidung spielen die Auslobung und die Darstellung des Produktes. Darüber hinaus spielt aber auch die Befriedigung einer bestimmten Verbrauchererwartung eine Rolle oder aber auch die Verwendung von "klassischen" Biozid-Wirkstoffformulierungen.
Um eine weitestgehend einheitliche Definition zu fördern, wurden und werden von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und von der Kommission einzelne Abgrenzungskriterien diskutiert, die in Leitliniendokumenten veröffentlicht werden, welche allerdings nicht rechtsverbindlich sind. Diese Dokumente basieren auf Mehrheitsentscheidungen der beteiligten Stellen zu konkreten Beispielen, welche jedoch ebenfalls nicht rechtsverbindlich sind. Im Zweifelsfall sollte sich ein Inverkehrbringer daher an die oben genannte, jeweils zuständige Fachbehörden wenden.
Ist mein Produkt ein Biozidprodukt?