EuGH-Urteil zur Bezugsgröße von SVHC in Erzeugnissen
Die REACH-Verordnung definiert ein Erzeugnis als "Gegenstand, der bei seiner Herstellung eine spezifische Form, Oberfläche oder Gestalt erhält, die in größerem Maße als die chemische Zusammensetzung seine Funktion bestimmt". Weitergehende Definitionen sind nicht vorhanden. Es gab innerhalb der EU unterschiedliche Auslegungen in Bezug auf die Bezugsgröße für ein Erzeugnis in den Fällen, in denen ein Erzeugnis in einem anderen Erzeugnis verbaut wurde. Die sechs Mitgliedstaaten Deutschland, Österreich, Dänemark, Belgien, Schweden und Frankreich sowie Norwegen vertraten im Gegensatz zur ECHA und den restlichen Mitgliedstaaten die Auffassung, dass auch in diesem Fall das einzelne Erzeugnis weiterhin als solches bestehen bleibt und damit auch weiterhin als Bezugsgröße für die Berechnung des SVHC-Gehaltes dient.
Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in der Rechtssache C-106/14 vom September 2015 wurde diese Auslegung bestätigt. Ein einmal produziertes Erzeugnis verliert demnach seinen Erzeugnischarakter in der Regel nicht, wenn es mit einem oder mehreren anderen Erzeugnissen zu einem komplexeren Produkt zusammengebaut wird.
In der REACH-Verordnung wird nicht zwischen einzelnen Erzeugnissen und zusammengesetzten oder komplexen Objekten unterschieden. Um dennoch diese beiden Situationen eindeutig voneinander abgrenzen zu können, wird in dem Urteil des EuGH der Begriff (komplexes) Produkt verwendet, wenn die Rede von einem aus einzelnen Erzeugnissen zusammengesetzten Produkt ist. Um dies deutlich zu machen wird zukünftig nur noch das (einzelne) Erzeugnis als solches so bezeichnet. Objekte, für die zuvor der Begriff des "zusammengesetzten/komplexen Erzeugnisses" verwendet wurde, werden zukünftig vom REACH-CLP-Biozid Helpdesk als (komplexe) Produkte bezeichnet.
Kurz gefasst spricht man von dem Prinzip:
"Einmal ein Erzeugnis – immer ein Erzeugnis"
Die Interpretation des Prinzips "Einmal ein Erzeugnis – immer ein Erzeugnis" wird ausführlich in unserer REACH-Info 6 und den Leitlinien zu den Anforderungen für Stoffe in Erzeugnissen der ECHA beschrieben.
Das bedeutet, dass auch die Informationsweitergabe jeweils unter Angabe des einzelnen Erzeugnisses, in dem ein Kandidatenstoff zu mehr als 0,1 Massenprozent enthalten ist, erfolgen muss. Das Prinzip "Einmal ein Erzeugnis - immer ein Erzeugnis" bietet dabei eine Reihe von Vorteilen bei der Weitergabe von Erzeugnissen, beispielsweise:
- Hohe Transparenz in der Lieferkette, auch im Falle von komplexen Produkten.
- Verbraucher, die Artikel 33 Absatz 2 in Anspruch nehmen, bekommen detailliert Auskunft, in welchem einzelnen Erzeugnis ein Kandidatenstoff enthalten ist.
- Gleichstellung von EU-ansässigen Produzenten von Erzeugnissen und Importeuren von Erzeugnissen. Kein "Verdünnungseffekt" in Bezug auf den Gehalt eines Kandidatenstoffes in dem zusammengesetzten Produkt.